Tennis World Tour – Advantage Big Ben Interactive?
Big Ben Interactive und Breakpoint Studio bringen mit „Tennis World Tour“ den geistigen Nachfolger von „Top Spin 4“ auf den weltweiten Markt. Gelingt den Entwicklern mit „Tennis World Tour“ der große Coup gegenüber Konkurrent „AO International Tennis“ oder landen die Schläge ähnlich weit im Aus? – Ihr erfahrt es in unserem Test!
Tennis World Tour ist der inoffizielle Nachfolger von Top Spin 4, eines der besten Tennisspiele der vergangenen Xbox Ära. Obwohl sich das Spiel millionenfach verkaufen konnte, mussten Fans der Reihe jahrelang auf einen Nachfolger warten.
Die Vorfreude der Fans auf „Tennis World Tour“ ist groß, versprechen die Entwickler dank der Motion-Capture Technologie, umfangreichen Spielmodi und zahlreichen lizensierten Stars der Szene- darunter auch einige Legenden wie z.B. Andre Agassi – die realistischste Tennissimulation auf dem Markt produziert zu haben.
„Weniger ist nicht immer mehr“
Bereits kurz nach der Installation des Titels wird klar, wieso das Spiel lediglich 4,2GB umfasst. „Tennis World Tour“ begrüßt mich ohne jegliches Intro, man findet sich nach Starten des Spieles direkt im tristen Hauptmenü wieder. Dort hat man die Auswahl zwischen Exhibitions (Freundschaftsspiele), der Trainingsakademie oder dem Karrieremodus.
Der Online-Modus ist zum Release gar nicht erst auswählbar und soll erst verspätet nachgeliefert werden. Für einen Vollpreistitel ist dieser Zustand nicht nachvollziehbar und nicht akzeptabel. Mangels Auswahl ging es also direkt in den Karrieremodus. Dort fällt zum direkten Konkurrenten „AO International Tennis“ sofort der maue Spielereditor auf.
Neben dem Geschlecht kann man lediglich zwischen sechs Gesichtern, vier Aufschlagsanimationen und ein paar verschiedene Arten des „Stöhnes“ wählen – das war’s dann auch schon. Dieser Punkt geht klar an den Konkurrenten!
Auch bei „Tennis World Tour“ ist es das Ziel, die Nummer 1 der Welt zu werden. Der Weg dorthin ist allerdings ein zäher und wenig motivierend. Die Karriere ist in Monaten aufgeteilt in denen man entweder Turniere, Exhibitions oder Trainingseinheiten absolvieren kann.
Besucht man z.B. eine einzige Trainingseinheit, springt man in den nächsten Monat. Pro Jahr sind also lediglich 12 Aktivitäten möglich. Weitaus weniger nachvollziehbar ist allerdings, dass der Effekt einer Trainingseinheit für zwei mickrige Monate anhält. Trainingseinheiten wirken so fast schon sinnlos.
Absolut unverständlich was sich die Entwickler dabei gedacht haben. Zudem nimmt man auf dem Weg nach ganz oben ausschließlich an Fantasieturnieren teil. Wimbledon oder die French Open sucht man vergebens, stattdessen spielt man die Vancouver Open oder das Berliner Bär Turnier.
In Sachen Lizenzen hat man sich ordentlich Luft nach Oben gelassen. Ein positiver Aspekt sind allerdings die spielbaren Legenden wie z.B. ein Andre Agassi. Sauer aufstoßen lässt einen allerding, dass die Legenden ausschließlich in der teuren Legend-Edition enthalten sind und (vermutlich) später per DLC erworben werden können.
„Unterirdische Handhabung“
Mitunter der größte Frustfaktor des ganzen Spieles ist die Steuerbarkeit der einzelnen Spieler auf dem Feld. Was Big Ben Interactive hier fabriziert hat, hinterlässt ratloses Kopfschütteln. Die Spieler bewegen sich vollkommen automatisch und wie auf Schienen zum Ball, auch die Aushol- bzw. Schlagbewegung übernimmt vollständig die KI.
Mit einem Tastendruck legt man lediglich die Art des Schlages sowie dessen Stärke fest. Dabei ist es allerdings oftmals völlig Egal ob man einen Slice, einen Top-Spin oder einen normalen Schlag ausführen will, da der Computer die Art des Schlages selbst festlegt.
Ein weiterer fieser Bug lässt den Spieler bei gegnerischem Aufschlag urplötzlich ans Netz sprinten, sodass ein Return des Balles nicht mehr möglich ist. Da diese Fehler keine Seltenheit sondern eher die Regel sind, ist Frust während des Spielens ein ständiger Begleiter.
Die katastrophale Kollisionsabfrage reiht sich nahtlos in die schier endlose Fehlerliste ein. Augenscheinlich unerreichbare Bälle werden returniert, obwohl der Ball den Schläger gar nicht berührt hat und scheinbar leichte Bälle werden durch ein stolpern des Spielers verloren.
Neben den ganzen Kritikpunkten macht das Spiel aber ab und an doch auch Spaß. Die Ballwechsel sind spannender als bei der Konkurrenz und man merkt hier am deutlichsten das Potential, welches in „Tennis World Tour“ schlummert. Zum jetzigen Stand verliert man allerdings auch hier zu AO International Tennis deutlich an Boden. Schade, hier wäre so viel mehr möglich gewesen!
„Eines John McEnroe nicht würdig“
Ein Kritikpunkt bei AOIT war der fehlende Kommentator. Dieser Kritik möchte Tennis World Tour entfliehen und so versucht man mit John McEnroe etwas mehr Atmosphäre durch die Lautsprecher zu bringen. Dieser Versuch ist schlicht und ergreifend gescheitert.
Die ausschließlich englischen Kommentare wiederholen sich bereits nach dem zweiten oder dritten Ballwechsel und passen fast nie zum eigentlichen Geschehen. Anstatt Atmosphäre zu gewinnen wurde das Gegenteil erreicht. Zu Release des Spieles vermisste man jegliche Soundkulisse auf dem Court, nach Erscheinen des ersten Patches sind nun zumindest Schiedsrichteransagen und das Klatschen des Publikums zu hören.
Generell verhält sich die Soundkulisse aber ähnlich zu AO International Tennis. Solide, mehr aber auch nicht.
„Grafisch von gestern“
Grafisch gesehen befindet sich Tennis World Tour nicht auf der Höhe der Zeit. Die Spieler sehen zwar etwas weniger nach Wachsfiguren aus, ähneln ihren realen Ebenbildern aber nur im Entferntesten. Auch auf dem Spielfeld selbst darf kein grafisches Feuerwerk erwartet werden.
Der geistige Vorgänger TopSpin 4 erschien im Jahre 2011, steht dem Nachfolger aber in Sachen Grafik nicht viel nach. Umso erstaunlicher dabei ist, dass die Framerate nicht konstant gehalten werden kann. So kämpft das Spiel während der Ballwechsel immer wieder mit leichten Rucklern.
Absolut unverständlich und bei einer schnellen Sportart wie Tennis mehr als hinderlich. Wie auch beim Konkurrenten vermisst man auch hier Fußabrücke im Sand oder die Abrücke des Tennisballes. Auch das Spielgefühl ist auf allen Plätzen identisch. Die Rasenfläche ist also nicht spürbar langsamer als der Sandbelag, sondern vom Spielgefühl her komplett gleich.